Rückkehr einer „ruhigen Hand“ empfohlen

Interview
05.06.2024

Von: Redaktion OIZ
Stefan Fink, Chief Economist von KPMG Österreich, der beim Bundestag im Congress Loipersdorf (Foto) eine Keynote hält, plädiert darüber hinaus, den Wohnimmobilienmarkt regulierungsmäßig zu „entschlacken“.

Mann in schwarzem Anzug
Stefan Fink, Chief Economist von KPMG Österreich, referiert am 27. Juni 2024 um 9:45 Uhr beim Bundestag über „Die Immobilienwirtschaft und ihre Rolle in der Wirtschaftspolitik“.

OIZ: Wie entwickelte sich die heimische Immobilienwirtschaft in den vergangenen Jahren?

STEFAN FINK: Nach einem signifikanten Preisanstieg 2021 und 2022 (+11,8 % bzw. +10,3 %) ging der österreichische Immobilienpreisindex 2023 mit 1,6 Prozent leicht zurück (Quelle: OeNB). Während Stimulus und Niedrigzinsen den Auftrieb unterstützten, war die Immobilienwirtschaft mit einer Reihe von hauptsächlich angebotsseitigen exogenen Schocks konfrontiert – von Problemen in den Lieferketten und Knappheiten in den Baumaterialien, über den Anstieg der Energiepreise und den infolge der Inflation ansteigenden Lohnkosten, die langsam an die Kunden weitergegeben werden. Die Nachfrageseite war mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Eine schwächere Konjunktur, der inflationsbedingte Verlust von Realeinkommen und insbesondere die Entwicklungen am Finanzmarkt trübten die Kauflaune deutlich ein: der stärkste und schnellste Zinsanstieg seit Bestehen des Kapitalmarktes, gepaart mit einer regulatorischen Einschränkung der Kreditverfügbarkeit über die KIM-Verordnung, hinterließen ihre Spuren am Wohnimmobilienmarkt.

Das ist auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht in Österreich von Bedeutung. Der Anteil der Bauwirtschaft an der gesamten heimischen Bruttowertschöpfung, der 2021 noch 5,6 Prozent betrug, reduziert sich nach Prognosen der WKO bis 2025 um beinahe 0,5 Prozentpunkte auf 5,2 Prozent. Seit 2021 ist die Bruttowertschöpfung der Baubranche relativ zum Vorjahr negativ (-1,1 % 2021, -1,2 % 2022, -1,5 % 2023).

OIZ: Wie beurteilen Sie das Quartalsupdate des kürzlich vom Fachverband präsentierten 1. österreichischen Neubauberichts?

FINK: Der Rückgang der Neubauleistung um zehn Prozent bereits heuer – er war ursprünglich erst für 2025 erwartet – spiegelt die dargestellte problematische angebots- und nachfrageseitige Lage wider. Die Anzahl der neu fertiggestellten Wohnungen ist rückläufig. Die neuen Objekte bilden jedoch die deutlich angestiegenen Baukosten ab. Das führt zu einer Zweiteilung des Marktes zwischen Neu- und Gebrauchtbestand. So war beispielsweise in Wien 2023 bis zum dritten Quartal bei neuen Wohnungen ein Preisplus von 1,7 Prozent zu verzeichnen, während die Preise gebrauchter Objekte um 6,6 Prozent zurückging.

Kongressgebäude
Der Bundestag der Immobilienwirtschaft findet am 27. und 28. Juni 2024 im Congress Loipersdorf (Foto) statt.

OIZ: Was bedeutet das für den Immobilienmarkt in Summe?

FINK: Nun, die teils disruptive Entwicklung der Preise und Kosten stellen primär kleinere und mittlere Projektentwickler sowie auf Wohnbau spezialisierte Bauunternehmungen vor große Herausforderungen; vor allem jene, die sich liquiditätsmäßig schon vor dem Preisrückgang in einer angespannten Situation befanden. Sowohl Regierung als auch Bundesländer versuchen, mit stützenden Maßnahmen gegenzusteuern. Der Fokus liegt dabei klar im gemeinnützigen Wohnbau. In wenigen Ausnahmen können auch gewerbliche Bauträger um Teile aus der „Wohnbaumilliarde“ ansuchen.

OIZ: Was ist darüber hinaus relevant?

FINK: Mindestens genauso wichtig wäre, den Wohnimmobilienmarkt regulierungsmäßig zu "entschlacken". Es empfiehlt sich die Rückkehr einer „ruhigen Hand“, die weder durch Überforderung noch Überförderung auffällt. Die zu erwartende leichte Reduktion der Finanzierungszinsen sollte dabei unterstützen: Die im ersten Quartal 2024 erstmals minimal ausgeweitete Nachfrage nach Wohnbaufinanzierungen bestätigt diese Bodenbildung. Die rückläufige Entwicklung der Inflation und die damit einhergehende Erhöhung der Kaufkraft werden ebenfalls – wenn auch zeitverzögert – positiv wirken; auch wenn die konjunkturellen Erwartungen stark gedämpft bleiben.