Endstation Glasfassade

Biodiversität
02.09.2024

Von: Redaktion OIZ
Neben der Lebensraumzerstörung bildet der Anprall gegen Glasflächen die häufigste von Menschen verursachte Todesursache bei Vögeln. Welche Maßnahmen helfen.

Glasfassade einer Fachhochschule
Eine mit einer Vogelschutzfolie von Seen Elements versehene Glasfläche der FH St. Pölten.

Dass großzügige Verglasungen bei Gebäuden eine Herausforderung bezüglich Kälte-/Hitzeschutz bedeuten, ist in der Immobilienbranche längst gesackt. Dass sie für Vögel eine Todesfalle darstellen, ist hingegen oft noch ein Randthema. Amseln, Meisen & Co orientieren sich stark mit ihrem Sehsinn, aber die Augen der meisten Vogelarten liegen seitlich am Kopf. Dadurch sehen sie seitwärts in einem großen Winkel und können sich nähernde Feinde oder Artgenossen aus allen Richtungen exzellent wahrnehmen. Der Nachteil ist, dass das räumliche Sehen massiv eingeschränkt ist und sie Hindernisse im schnellen Flug nur schlecht erkennen können. So erfassen Vögel lediglich die Landschaft hinter der Glasscheibe und prallen ungebremst dagegen. Neben der Durchsicht bildet die Spiegelung das zweite gefährliche Phänomen. Wenn sich Himmel, Bäume und Sträucher im Glas widerspiegeln, wird den Vögeln ein attraktiver Lebensraum vorgegaukelt. Unterm Strich mutiert die Glasfläche zur Todeszone.

Der Umweltanwaltschaft Wien vermutet, dass diese Zusammenstöße nach der Lebensraumzerstörung die häufigste anthropogene Todesursache bei Vögeln sind. In der Regel unterschätzt man die Anzahl der verendeten Tiere. Meistens werden tote Vögel kaum wahrgenommen, da diese oft noch leben, wenn sie gegen Hindernisse stoßen und dabei infolge des Anpralls Gehirnblutungen erleiden. Sie geben ihr Bestes, um noch in ein Gebüsch zu fliegen. Liegen sie dann verendet am Boden, werden sie innerhalb kürzester Zeit leichte Beute für Katzen, Krähen, Ratten und Marder. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge hinterlassen etwa achtzig Prozent der Vögel, die mit Glasscheiben kollidieren, keine erkennbaren Spuren. Besonders tragisch ist gemäß Birdlife Österreich, dass es nicht nur weit verbreitete Arten wie Singdrosseln, Spatzen oder Wintergoldhähnchen trifft, sondern auch seltene Spezies wie Waldschnepfen, Sperber oder Eisvögel.

Schützende Folien

Doch welche Maßnahmen können Immobilieneigentümer beziehungsweise -betreiber ergreifen, damit es erst gar nicht so weit kommt? Gerhard Adler von der Adler Glastech GmbH erläutert: „Derzeit sind die Vogelschutzfolien von Seen Elements extrem nachgefragt. Diese sind geprüft und in die Kategorie A, also als hochwirksam, eingestuft. Dabei werden Neun-Millimeter-Punkte mit hoch- oder semi-reflektierenden Materialkombinationen in einem vorgegebenen Neunzig-Millimeter-Raster im Innen- oder Außenbereich auf die Glasscheibe geklebt. Das unterbricht die Spiegelungen der Umgebung auf dem Glas, die den Vögeln einen ungefährdeten beziehungsweise hindernisfreien Flug vorgaukeln.“

Die Vorteile der Vogelschutzfolie von Seen Elements sind laut Adler die geringe Abdeckung der Glasfläche von rund einem Prozent bei sehr hoher Wirksamkeit. Das menschliche Auge wird bei der Durchsicht nur geringfügig irritiert. Darüber hinaus kann das Nachrüsten kleinerer Glasflächen relativ leicht erfolgen.

Fenster eines Uni-Gebäudes
Aufgrund der an der Boku Wien montierten BirdShades sehen die Vögel Streifen (links). Der menschliche Durchblick ist ungetrübt.

Technologie mit UV-Licht

Ebenfalls reger Nachfrage erfreuen sich vertikale Vogelschutzmarkierungen mit einer matten transluzenten Ätzglas-Glasdekorfolie; in unregelmäßigen Streifenbreiten und Abständen – Zebramuster – oder in gleichmäßigen Streifenbreiten und Abständen. „Diese Folien erzielen ebenfalls einen sehr hohen Wirkungsgrad, müssen aber immer im Außenbereich geklebt werden. Denn die matten Streifen verhindern großflächige Spiegelungen am Glas und verringern die freie Durchsicht bei nicht spiegelnden Gläsern. Dafür ist jedoch ein Mindestabdeckung der Glasfläche von 25 Prozent notwendig. Für manche Kunden ist das zu viel, da es doch die Optik des Gebäudes verändert. Für andere ist es ideal, um optische Akzente zu setzen sowie einen gewissen Sichtschutz zu erhalten. Die Selbstmontage dieser Vogelschutzfolie auf kleineren Flächen ist einfach und ohne hohen Aufwand zu bewerkstelligen. Weiters sind sie günstig in der Anschaffung“, weiß Adler.

Relativ neu, nämlich seit dem Frühling letzten Jahres, erhältlich sind die BirdShades. Die von einem Grazer Startup patentierte Technologie basiert auf einer vogelspezifischen Fähigkeit: Finke, Stare & Co können UV-Licht wahrnehmen. Nach der Montage dieser Folien sehen sie Scheiben mit Streifen – und meiden sie. Der Durchblick des Menschen ist hingegen ungetrübt. Johannes Krammer, Gründer und Geschäftsführer von Folientechnik Krammer, die die BirdShades verarbeitet und vertreibt, berichtet: „Wir haben die Universität für Bodenkultur Wien sowie die Privatklinik Pirawarth montiert, weiters viele Privathaushalte, Wintergärten etc.“

Prüfberichte über die diversen Schutzmaßnahmen gegen Vogelschlag befinden sich auf der Website der Wiener Umweltanwaltschaft: www.umweltanwaltschaft.at/publikationen. Gerhard Adler betont, dass jede noch so kleine Aktivität besser als keine ist. Bei den klassischen Greifvogelschutzsilhouetten sei es jedoch schade ums Geld. Sie seien wirkungslos. Generell auf die Immobilienbranche gemünzt meint der Experte sachte positiv: „Erfreulicherweise fand in den letzten Jahren ein Umdenken statt. Man ‚entsorgt‘ die toten Vögel nicht mehr, sondern macht sich Gedanken, wie diese verhindert werden können.“